Zum Inhalt springen
StartseiteGibson Diaries

Gibson Diaries

Von Gitarrenflüsterern und Voodoozauber

Neunzigerjahre, Louisiana. Lange vor Hurricane Katrina, lange vor dem Öl-Desaster: die Luft über Big Easy flirrte, ich war umzingelt von Southern Comfort und Dixie Beer, von Voodoo-Doktoren und Cajun-Girls, von Mississippi-Raddampfern wie der Delta-Queen. Der Geist von Mark Twain lag in der Luft.

Es war außerhalb von New Orleans, irgendwo in Südwest-Louisiana. Wie jener Gitarren-Store hieß, weiß ich nicht mehr. Nur noch, dass ich eines Tages in Begleitung meines Line-Producers (wir drehten ein Video für mein Louisiana Album) dieses Etablissement betrat. Legionen von Gitarren (in erster Linie Second-Hand) hingen verträumt an versifften Südstaatenwänden. Die besseren Zeiten waren lange vom Winde verweht.

Es war nicht so, dass wir damals toujours lustige Sachen geraucht oder getrunken hatten, nichtsdestotrotz bin ich bis heute der wilden Überzeugung, dass eine dieser Gitarren mir zuzwinkerte. Mit anderen Worten: wir fanden Gefallen aneinander. Die beiden schwarzen Verkäufer dieses Shops (jeder der beiden hätte die gesammelten deutschen Autoverkäufer in Grund und Boden geredet & die eigene Großmutter locker als Halle Berry – gerade dem Mississippi entstiegen – verkauft) registrierten das sofort. Die Verkaufs-Story wurde schnell abenteuerlich. Große Poeten die Jungs.

Ich sollte erfahren, dass natürlich exakt auf dieser Gitarre angeblich bereits Robert Johnson, der Gott-König des Delta-Blues seine Finger angelegt hatte. Johnson, das legendäre Vorbild von Keith Richards und Eric Clapton. Nun, die Gibson ES-150, eine Vollresonanzgitarre, basierend auf der Gibson L-50 Akustikgitarre, wurde zwischen 1936 und 1956 hergestellt. Es hätte timing-mäßig zumindest hinhauen können. Immerhin war Johnson erst 1938 gestorben, dafür allerdings mit ziemlich viel Schaum vorm Mund. Und, so sagt die Legende, Johnson war einst ein lausiger Gitarrenspieler, bis er eines Tages spurlos verschwand. Er verkaufte seine Seele für das coolste Gitarrespielen auf diesem Planeten an einen dieser Voodoo-Prediger, die sich damals in den Südstaaten rumtrieben. Zurück kam er als Gitarren-Gott, doch klar, irgendwann holte sich Beelzebub die Seele des armen Robert eben zurück. Deal ist Deal.
Und jetzt, 60 Jahre später, grinste diese Gibson-Gitarre mich an. Sollte sich dieses leckere Teilchen also tatsächlich in mich verlieben und würde die Voodoo-Magie des Robert Johnson auf mich übergehen? Was für eine Frage! Selbstredend! Natürlich nickten meine Louisiana-Verkäufer eifrig. Ich würde der beste europäische Gitarrenspieler meiner Zeit werden.

Okay. Nun denn. Die Gitarre war teuer. Sie war und ist mir aber jeden damaligen Dollar wert bis heute, bis hin zur allerletzten Saite. Die Gibson, in ihrem Ahorn/Mahagoni/Palisander-Outfit, lebt heute in einer Gitarren-WG in einem rauchblauen Gitarrenschrank. Nebenan wohnt eine 12-saitige Rickenbacker, eine Dobro, eine Stratocaster und eine Epiphone. Sie vertragen sich nachbarschaftlich durchaus gut, kleine Eifersüchteleien ok, aber damit kann man leben.
Manchmal, vorwiegend nachts, verlässt die Gibson ihr Zuhause. Und, wie manche sagen,  wir beide reden dann miteinander. Stimmt. Und sie weiß viel von mir. Denn insbesondere beim Komponieren kommt sie zum Einsatz. Wenn ich es recht bedenke: Bei Studio-Aufnahmen habe ich sie eigentlich nur bei Songs wie ‚Louisiana’ – ‚Wer war heut Nacht hier’ oder ‚Lächeln beim Abschied’ gespielt. Das mag daran liegen, dass ich im Studio oft umgeben bin von solchen Gitarrenlegenden wie Peter Weihe, Billy Lang oder Frédéric Koella.
Denn das mit der Magie und dem coolen Gitarrenspiel a la Johnson hat irgendwie bis heut noch nicht funktioniert. Ich bin immer noch ein eher bescheidener Gitarren-Artist (dafür habe ich keinen Schaum vor dem Mund!). Mein Talent liegt eher darin, musikalische Geschichten zu erzählen, sie in ein gewisses Ambiente zu verpacken und auch damit eine Art von Zauber & Magie zu entwickeln.

Wie dem auch sei: meines Wissens hat zwar der großartige Jazz-Gitarrist Charlie Christian ebenfalls eine ES-150 gespielt. Doch Robert Johnsons Voodoo-Finger haben meine Gibson vermutlich nie gestreichelt. Egal. Nachts, wenn der Vollmond überm See steht, die Frösche quaken und ein neuer Song entsteht, denke ich manchmal: vielleicht hat er ja doch… der Robert…?